Sonntag, 23. März 2014

Sterben von Karl Ove Knausgård

Die Kinder amüsieren sich ja immer über die Buchtitel der Bücher, die ich lese. "Das Zimmer" (Andreas Maier) oder "Der Hals der Giraffe" (Judith Schalanski), nun also: "Sterben". "Sterben" ist mit fast 600 Seiten der erste Teil des sechsteiligen Romanprojekts "min Kamp", in welchem Karl Ove Knausgård obsessiv deskriptiv sein männliches Leben ausbreitet. In diesem ersten Teil stirbt der übermächtige Vater. Das ganze Buch dreht sich um das schwierige Verhältnis zum und um die Belastung durch diesen autoritären Vater, aber man dringt nur sehr sporadisch zum eigentlichen psychologischen Kern dieses Hasses vor. Mutter, Schwester und Ehefrauen bleiben Randfiguren.
Das Romanprojekt ist in Schweden sehr erfolgreich, wegen der "radikalen Authentizität", aber, nun ja, schonungslos eine Menge meist banaler Details aus seinem Leben zu veröffentlichen, ist das schon Literatur?

Sonntag, 9. März 2014

Eine Nacht, Markowitz von Ayelet Gundar-Goshen

"Manchmal ist das Merkwürdigste an einem Buch die Frage, warum es geschrieben wurde" - die FAZ Rezension beschreibt den Roman treffend. In dem Roman "Eine Nacht, Markowitz" geht es um die Ehe und um den Krieg und um den Krieg in der Ehe. Die Ehe des Protagonisten gleicht einer Belagerung (Jakob Markowitz und Bella), die Ehe seines besten Freundes, dem lebensfreudigen Schnauzbarts, ist eine leidenschaftliche Schlacht und endet fast durch eine Kriegserinnerung (Seev Feinberg und Sonia). Viele Ehen werden durch die während der Shoa nach Europa Gesandten  geschlossen und gleich wieder geschieden.
Die Figuren bleiben den ihnen zugeschriebenen Bildern treu und zeigen kein Innenleben, die Dramen, die sich ereignen, berühren dadurch nicht. Wie es in der FAZ Rezension beschrieben wird: "Nein, das ist kein richtig schlechtes Buch, es hat zwar manche Längen und eine schauerlich unbalancierte Dramaturgie, ist aber oft rührend, bildhaft und auf altmodische Weise poetisch."
Leseempfehlung: Kann man lesen, muss man nicht.

Montag, 3. März 2014

Arbeit und Struktur von Wolfgang Herrndorf

Dem inneren Verfall, dem Orientierungsverlust, der Epilepsie und der Depersonalisation, durch das wachsende Glioblastom stetig fortschreitend, stellt Wolfgang Herrndorf eine äussere Ordnung -Arbeit und Struktur- entgegen. Skeptisch, ob ein als Buch gedruckter Blog funktioniert, musste ich feststellen, dass es, nein, nicht die Sensationslust ist, die einen fesselt, sondern Herrndrofs nüchtern-lakonische Beschreibung seiner Krankheit, seiner Ausfälle, seiner Todesnähe und trotzdem der unendlichen Sehnsucht nach dem Leben und ja, es funktioniert nicht nur, es ist schöne! Literatur!

20.12.2011 13:36
...Das Gefasel von der Unzuverlässigkeit des Gedächtnisses und der Unzulänglichkeit der Sprache spare ich mir, allein der berufsbedingt ununterdrückbare Impuls, dem Leben wie einem Roman zu Leibe zu rücken, die sich im Akt des Schreibens immer wieder einstellende, das Weiterleben enorm erleichternde, falsche und nur im Text richtige Vorstellung, die Fäden in der Hand zu halten und das seit langem bekannte un im Kopf ständig schon vor- und ausformulierte Ende selbst bestimmen und den tragischen Helden mit wohlgesetzten, naturnotwendigen, fröhlichen Worten in den Abgrund stürzen zu dürfen wie gewohnt -

Wer den Blog lesen möchte, beginnt hier:
http://www.wolfgang-herrndorf.de/2010/04/daemmerung/