Dienstag, 24. Februar 2015

Fliehkräfte von Stephan Thome

Also danke erstmal an alle, die trotzdem ab und zu in meinen Blog geschaut haben, obwohl ich lange nichts geschrieben habe. Gelesen habe ich, natürlich, immer.

Ob Fliehkräfte das richtige Wiedereinstiegsbuch ist, ist fraglich, es ist sicher kein must read. Und kein Buch, das die psychologische Tiefe seiner Figuren auslotet. Es geht um Hartmut Hainbach, Ende 50, Philosophieprofessor, in Bonn lebend. Seine Frau hat vor einigen Jahren beschlossen, der Ödnis der ehemaligen Bundeshauptstadt zu entkommen und in Berlin eine Stelle anzunehmen, nachdem die Tochter ausgezogen ist. Die Hainbachs führen also eine Fernbeziehung. Damit ist der Philosophieprofessor nicht glücklich, ein Angebot eines Berliner Verlags stellt ihn vor die Frage, ob er alles Erreichte loslassen und zu seiner Frau nach Berlin ziehen soll.
Kurzentschlossen macht er sich auf die Reise, von Paris über die Atlantikküste nach Spanien und Portugal, zu Stationen seines frühreren Lebens, zur Geliebten, zum Freund, zur Tochter, zur Familie. Trotz dieses Bemühens wird keine Verbindung zu den Personen aufgebaut, das Interesse Hartmuts am Anderen ist gering, selbst gegenüber der Tochter und Maria, der sehr sympathisch gezeichneten portugiesischen Ehefrau.
Obwohl Maria offensichtlich unglücklich war in Bonn, entging das dem Protagonisten, der sich um seine Karriere gekümmert hat. Nun, da  sie in Berlin ist, gibt er sich auf seiner spontanen Reise seiner Larmoyanz hin. Er kann nicht verstehen, dass sie ihn verlassen hat, obwohl er sie doch so sehr liebt. Was unter dieser Liebe zu verstehen ist (kein Interesse am anderen, keine Antennen für den Anderen, eigene Karriereabsichten durchdrücken, nur die eigenen Vorteile sehen) bleibt auf knapp 500 Seiten unverständlich, zumindest für mich als Frau...

Hier noch eine Gegenstimme: Keine dieser knapp fünfhundert Seiten möchte man missen; «Fliehkräfte» ist ein meisterhafter Roman (NZZ Feuilleton).

Neu erschien "Gegenspiel", erzählt von Maria aus Portugal über ihre öde deutschen Ehe...