Montag, 18. November 2013

Vogelweide von Uwe Timm

"Sie sagte, ich bin für die Nachhaltigkeit in den Gefühlen."
"Aber man kann nicht ein klein wenig korrigieren. Man muss dann einen Schnitt machen."

Die Geschichte ist schnell zusammengefasst: Eschenbach und Selma, Anna und Ewald sind zwei befreundete Paare, bis sich zuerst Eschenbach in Anna und dann Ewald in Selma verliebt. Es geht schief, Eschenbach verliert alles, Freundin, Geliebte, Wohnung und Geschäft und wird Vogelwart auf einer einsamen Insel. Trotz dieser Dramatik ist es ein sehr leises Buch, das behutsam und beobachtend in der Sprache der Altersweisheit erzählt wird. Nur manchmal schweift die Erzählung ab in eine intellektuelle Altherrengeschwätzigkeit, aber das immer nur ein paar Seiten. Nicht umsonst war das Buch 2013 auf der Longlistdes Deutschen Buchpreises.

Lean in von Sheryl Sandberg

Auf dieses Buch musste ich lange warten, da es in der Bibliothek immer schon ausgeliehen war, aber es war dann doch eher eine Enttäuschung. Es gibt ein paar Denkanstösse, das ja, aber ansonsten ist es eine vage Mischung zwischen einer Analyse, bei welcher ab und an ein paar Genderstudien zitiert werden und vor allem einer Autobiographie, in dem die Autorin sehr darauf bedacht ist, sich bei allen artig zu bedanken. Die Danksagung ist dann auch entsprechend 10 Seiten lang, trotz der 240 Seiten Danksagung davor. Also ein nettes Buch, integrierend, aber weit weg von kämpferischem Feminismus. Aber vielleicht ist der ja auch heute nicht mehr nötig. Oder er ist nicht nötig, wenn man einen Ehemann hat "der alles möglich macht" (die Widmung des Buches).

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Warum glücklich statt einfach nur normal? von Jeanette Winterson

Lieber Nachbar Oli, bevor du meinen Blog löschst, hier nach langer Pause das beste Buch des Sommers: "Warum glücklich statt einfach nur normal?" ist die intellektuelle Version des Buches: "Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche". Jeannette Winterson erzählt autobiographisch über ihre Kindheit als Adoptivtochter der religiös besessenen "Frau Winterson". Das Buch erzählt von den endlosen Stunden der Protagonistin eingeschlossen im Kohlekeller und ausgeschlossen auf der Haustreppe. Es erzählt aber auch von der Suche nach der leiblichen Mutter und der Aussöhnung mit der eigenen Geschichte. Das Buch, aussergewöhnlich reflektiert und mit fantastischem Sprachwitz, legt man ungern aus der Hand, bevor man es nicht ausgelesen hat.

Donnerstag, 28. Februar 2013

Überlebensgross von Mark Watson

Endlich mal wieder ein Buch, das chronologisch durcherzählt wird, von der Kindheit an, über die Ehe, bis zum Tod. Ein richtiger Schmöker also. Es geht um die grosse Liebe und das kleine Leben, es geht um die überlebensgrosse Schwester Victoria, angehimmelt vom kleinen Bruder Dominic, und es geht um ihre Familie, in der nicht viel geredet wird, in der aber dann viel Verborgenes doch noch ans Licht kommt.
Dominic Kitchen ist ein Hochzeitsfotograf, der jedes Wochenende den vermeintlich glücklichsten Augenblick eines Paares festhält, der aber gleichzeitig sein eigenes Glück allzu leichtfertig aufs Spiel setzt. Victoria wird die unglückliche Frau eines berühmten Cricketspielers. Die Beziehung der zwei Geschwister ist verstörend eng und erst am Ende finden die zwei einen Weg, damit umzugehen.

Sonntag, 20. Januar 2013

Die Liebe in groben Zügen von Bodo Kirchhoff

670 Seiten Bodo Kirchhoff - und der Gedanke, dass er sich auch kürzer hätte fassen können.
Das Buch handelt von einem älteren Ehepaar mit gehobenem Lebensstil (Wohnung in Frankfurt und Haus am See in Italien) und Kosenamen, mit einem stabilen Freundeskreis, regelmässigen Essenseinladungen, einer verwöhnten Tochter und hin und wieder einer Affäre. Beide, Renz und Vila, begegnen nun der Liebe ausserhalb der Ehe noch einmal in ihrem vollen Ernst: Renz' Liebe stirbt an Krebs, Vila möchte für Bühl ihren Mann, Renz, verlassen. Parallel dazu erzählt Bodo Kirchhoff die Geschichte des heiligen Franz von Assisi und seiner Klara: Eine übermenschliche, spirituelle Liebe.
Vor diesem Hintergrund wird die Ehe betrachtet, seziert und demontiert und zeigt sich am Ende dann doch als sehr stabiles Gebilde, als Haus mit Keller und festen Mauern, das auch nach dem letzten grossen Sturm nicht zusammenfällt.
Sehr pointiert geschrieben von Kirchhoff mit sehr viel Altersweisheit, sehr intelligent und sehr witzig, und doch lebt das Buch nicht, es reisst nicht mit, so dass die 670 Seiten teilweise zur rechten Herausforderung werden.